Zusammenfassung der aktuellen Situation rund um die Ermittlungen und Repression in und nach Genua + Berichte zu Aktionen anlässlich des zweiten Jahrestages der Ermordung Carlo Giulianis.
Vor zwei Jahren fanden in Genua, Italien, Proteste gegen das Treffen der G8 mit mehreren 100.000 TeilnehmerInnen statt. Den massiven Protesten wurde seitens der Polizei mit massiver Gewalt geantwortet und die DemonstrantInnen massiv angegriffen. Carlo Guiliani wurde am 20. Juli 2001 von einem italienischen Carabinieri erschossen - ohne Konsequenzen für den Schützen Mario Placanica.
[
Zur Einstellung der Ermitllungen gegen Mario Placanica +
Die Scherben von Genua verschütten die Gerechtigkeit +
Gipfelinfo vom 13.06.2003 +
Bilderfolge vom Mord an Carlo Giuliani mit Kommentaren ]
In diesem Jahr gab es am und um den Todestag herum in verschiedenen europäischen Städten Aktionen. Es wurde Carlo Giuliani gedacht und gegen die Kriminalisierung der antikapitalistischen Bewegung protestiert.
In Berlin fand eine Demonstration mit ca. 500 TeilnehmerInnen statt, die von der italienischen u.a. zur schwedischen Botschaft führte. Damit wurde auf die Repression anlässlich des EU-Gipfels im Juni 2001 in Göteborg aufmerksam gemacht, wo noch immer gegen Leute prozessiert wird und einige Leute schon bis zu zweijährige Haftstrafen abgesessen haben. Das besondere in diesem Fall ist, dass die Prozesse einerseits in Schweden geführt wurden, jedoch auch später gegen AktivistInnen aus Deutschland, Dänemark und Holland in deren Ländern ermittelt und prozessiert wurde bzw. wird. Die Urteile im Zuge der Göteborgprozesse waren allgemein hoch und wurden zum Teil in den Berufungsverhandlungen sogar verlängert.
[
Aufruf zur Demo in Berlin +
mp3 +
Demobericht aus Berlin und ausführliche Hintergrundinfos zu Genua, Göteborg usw. +
Summary of the situation of the GBG-prisoners, June 2002 +
]
In Wien veranstaltete die Volxtheaterkarawane eine Cocktailparty mit Musik und Videoscreening zu Genua. Dabei wurde berechtigterweise kritisiert, dass zu wenig Raum für Auseinandersetzung gegeben wurde. Stellt sich die Frage: Gibt es sowas wie eine Aufklärung unter Aufgeklärten? Jedenfalls lag zahlreiches Infomaterial auf, dass die aktuelle Situation zu Genua zusammenfasst, aber auch zu Thessaloniki, wo nach den Anti-EU-Protesten im Juni dieses Jahres noch immer 8 Leute in Haft sitzen. Dem Wunsch nach Diskussion ignorierte jedenfalls nicht nur der DJ und so ging die Party im Zentrum Wiens weiter - und es war eine tolle Party.
[
Aufruf der Volxtheaterkarawane +
Volxtheaterkarawane 2001 +
Volxtheater 2003 (aktuelle Projekte) +
[Feature] Repression nach Evian und Thessaloniki +
Printausgabe zu Thessaloniki (pdf) ]
Mehr Raum für Diskussion gab es dann am Sonntag Abend bei der Botschaft der besorgten BürgerInnen, deren Container seit einiger Zeit am Donaukanal in Wien stationiert ist. Es gab eine kleine Ausstellung, zahlreiches Infomaterial und einen Vortrag, der eine relativ gute Übersicht über Genua und das warum lieferte und die Frage nach dem wie weiter aufwarf. An der Diskussion beteiligten sich zwar nicht mehr alle der fast 20 ZuhörerInnen, dies tat aber dem großen Bedürfnis an Diskussion keinen Abbruch.
In Salzburg gab es am Sonntag, 20. Juli eine Fernsehstunde im öffentlichem Raum und am Samstag in Freiburg (BRD) Open-Air Kino. In Zürich demonstrierten zwischen 50 und 70 Personen gegen Repression und für die Freilassung der politischen Gefangenen von Genua, Göteborg und Thessaloniki.
[
Fernsehstunde in Sbg +
solidaritaetsdemonstration in zureich ]
Nach Genua zu kommen, hatten u.a. die Eltern Carlo Giulianis aufgerufen. Ein weiterer Aufruf zu "10 Tage Genua: Juli 2001 - Juli 2003" schlägt vor: "Es ist offensichtlich, dass sich Genua dieses Jahr von 2001 unterscheidet, aber es ist angebracht, die Unterschiede der beiden Folgejahre zu skizzieren."
[
Bilder von Demo, Genua, 20. Juli 2003 +
kommt alle nach Genua zurück +
Aufruf der Eltern von Carlo Giuliani ]
Zu Repression in/nach Genua
Im Zuge der Proteste wurde hunderte Leute verletzt - durch Schlagstöcke der Polizei, direkt auf den Kopf gezielte Tränengasgranaten, die massiv zum Einsatz kamen usw. In der Nacht vom 21. auf den 22. Juli stürmte dann die Polizei die Scuola Diaz. Die 93 im Gebäude aufgegriffenen Leute wurden verhaftet. Sechzig von ihnen waren jedoch zuvor dermaßen verprügelt worden, dass sie mit Tragbaren aus dem Gebäude getragen werden mussten. Gegen die AktivistInnen wurde u.a. wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung ermittlet, diese Verfahren wurden jedoch in der Zwischenzeit eingestellt.
[
Entscheid der Ermittlungsrichterin +
Italienische Polizei fälschte Beweismittel ]
Polizei und Carabineri stezten ihre Übergriffe auf den Polizeiwachstuben und in den Gefängnissen wie der Kaserne Bolzaneto fort. Zahlreiche Leute wurden gefoltert. Die Ermittlungen, die hier Aufklärung schaffen sollen, sind noch nicht abgeschlossen.
Es wird immer noch Videomaterial zu Polizeigewalt in Genua gesammelt, um in diesen Verfahren die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.
[
Aufruf: Videomaterial zur Polizeigewalt in Genua gesucht +
Genua. Die Wahrheit kommt ans Licht ]
Zwei Jahre später ist das juristische Nachspiel noch voll im Gange. In mehreren Verhaftungswellen wurden AktivistInnen in Italien seither verhaftet. Zuletzt im Dezember des Vorjahres - einer sitzt seither immer noch in Untersuchungshaft, andere haben Hausarrest oder Meldeauflagen. Mittlwerweile sind einige Verfahren im Laufen, vorerst werden jedoch die leichteren Anklagen verhandelt. In zwei Fällen kam es zu Verurteilungen mit Haftstrafen von 1 Jahr 6 Monate und 1 Jahr 8 Monate, in beiden Fällen auf Bewährung.
[
Post-G8 Repression in Italien +
Verhaftungen in Italien wegen Genua 2001 +
genoa it's not over! +
Repression gegen No Global in Italien (Nov 2002) +
gipfelinfo 7.6.2002 +
Neue Repressionswelle in Italien am 31. Mai 2002 +
[feature] Angriff der Staatsgewalt auf italy.imc (Feb 2002) +
Erste Verurteilung wegen Auseinandersetzungen in Genua 2001 ]
Es gibt zwar ob der massiven Üergriffe durch die Exekutive ebenfalls Ermittlungen, doch sieht es nicht danach aus, dass diese zur Rechenschaft gezogen wird. So wurde der Mörder Carlo Guilianis mittlerweile freigesporchen und versieht weiter seinen Dienst. Die verantwortlichen Polizeichefs, die Anfangs unter Druck gerieten, wurden in der Zwischenzeit durchwegs befördert.
Zahlreiche Prozesse gegen AktivistInnen stehen noch aus. In den Verfahren, in denen die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen wird, ist frühestens im September mit einer Entscheidung des Gerichts zu rechnen, ob es den Anträgen der Staatsanwaltschaft auf die Eröffnung von Prozessen zustimmt, ab diesem Zeitpunkt bleiben der Staatsanwaltschaft noch 15 Jahre Zeit, um Anklage zu erheben. Es wird frühestens im kommenden Jahr mit ersten größeren Prozessen gerechnet, in den anlaufenden Prozessen werden jedoch schon erste AktivistInnen verurteilt.
[
Neues zu den Ermittlungen und Verfahren wegen des G8 in Genua (09.07.2003) +
Ermittlungsstand, April 2003
]
Weitere Informationen zu den Protesten in Genua, der Repression und den Entwicklungen danach:
- Feature: J20 - Proteste gegen G8-Gipfel in Genua
- Feature: J21 - Proteste in Genoa
- Feature zum Polizeiangriff auf Scuola Diaz, GSF und indymedia vom 22.07.2001
- Genua G8 Berichte - Zusammenstellung bei PGA
- Bilder aus Genua 2001
- "Über Gefangene und Represseion nach Göteborg und Genua" vom 28.09.2003 (updates bis 02/2002)
- Genua, ein Jahr danach - Berichte vom 1. Jahrestag
- [feature] Nachdenken über den G8-Gipfel in Genua
- Was sich verändert hat
- Hintergrundinformationen, Stellungnahmen, Diskussionsbeiträge und Analysen zu Genua
- Sonderseite zu Genau bei linkeseite.de
- noprison-Seite der Volxtheaterkarawane
- genoaResistance - Activism in Memory of Genoa
- imc italy: aktuelle Infos zu Genua (it/en/de/..)
at.indymedia.org/front.php3?article_id=27536
|