dokument von Indymedia Italia
übersetzung cailte für www-it mailing_list
Manufacturing safe content
Die unabhängigen
Kommunikationsmedien wachsen rapide. Sie überschneiden sich mit
verschiedenen Formen der sozialen Kämpfe und des sozialen Widerstands,
während Repression und Einschüchterung jede Form von nicht angepasstem
Ausdruck treffen. Wir wollen eine Diskussion über das Verständnis, die
Modalitäten und die Organisationsweise eröffnen, mit denen wir als Indymedia
Italien und mit uns viele Initiativen, welche Information machen, die
alternativ zu der offiziellen ist, einen kollektiven Weg gehen.
Kurz: was ist Indymedia und wie wird es betrieben?
interessiert, die Leichen im Keller hinter glitzernden Schaufenstern zu
zeigen; bedacht, nicht in die glitschige Welt der mediascapes hinein zu
rutschen; resistent gegen die Schmeicheleien der Informationsgesellschaft;
verärgert durch Tausende Stunden aufgezwungenen Bildmaterials; respektlos
gegenüber der Welt der Mystifizierung, halten Medienaktivisten in 55 Ländern
der Welt jeden Tag am Leben: ein Instrument, einen Raum, Beziehungen. Sie
veröffentlichen Berichte. Sie schießen Bilder. Sie drehen Videos. Sie
schreiben Programme für die software. Indymedia ist "überall und
nirgendwo". Weil es ein Netzwerk ist: ein offenes, breit gestreutes
horizontales Instrument der Kommunikation und Information. Es ist ein
Medium, das von seinen Nutzern hergestellt wird. Die Nachricht und die
organisatorischen Parameter der Ereignisse werden von Unten bestimmt: nicht
in geschlossenen Redaktionsräumen und auch nicht in engen Gremien aus Profis
der Information, die im Dienst derer stehen, welche die Kontrolle über die
Kommunikationsmedien besitzen und mit diesen die Möglichkeit haben, das
politische Leben der jeweiligen Länder zu beeinflussen.
Ohne
Bedarf, Sprecher oder Direktoren zu haben, wächst Indymedia Italien dank der
direkten Teilnahme von all jenen, die sich dafür entscheiden, auch nur
einmal aus dem Käfig der medialen Vorstellung auszubrechen, in dem sie die
eigene Geschichte erzählen oder herstellen. Die Entscheidungsprozesse
innerhalb von Indymedia basieren auf der Konsensmethode und auf das
Mitmachen ˆ eine konkrete Alternative auf die redaktionelle Verwaltung von
Information ˆ geführt werden sie an öffentlichen "Orten", also hauptsächlich
in sich nach Themen unterscheidenden Mailinglisten (siehe
http://italy.indymedia.org/contact.php3).
Zusammen diskutieren
wir auf transparente Weise, welche Nachrichten in die Mittelspalte kommen
sollen; wir führen die offene Kommunikation in der rechten Spalte (doppelte,
kommerzielle, rassistische, faschistische, sexistische Beiträge und
Propaganda von Parteien werden versteckt); Wir besorgen uns Gelder,
Instrumente und Equipment um das Projekt Indymedia weiter zu entwickeln,
innerhalb der lokalen Knotenpunkte oder in dem wir Ressourcen und Wissen
investieren, um anderen Indymedia-Projekten zu helfen, (siehe die Projekte
Palästina uns Argentina); wir entscheiden über die Organisation von events
und Produktionen; wir setzen uns auseinander um Lösungen auf technische und
juristische Probleme zu finden.
Indymedia, nach
Genua
Während der G8 Tage 2001 wurden Hunderte Filme, Fotos
und Zeugnisse gesammelt, die es Millionen Menschen auf der ganzen Welt
ermöglicht haben, sofort zu verstehen, was in Genua geschah. In jenen Tagen
haben extrem viele Demonstranten das Bedürfnis verspürt, sich aktiv an der
Dokumentation des Protests zu beteiligen und das, was vor und während den
Angriffen der Polizei geschehen war, zu dokumentieren. Die Berichte wurden
im Media Center in der Diaz-Schule zusammengetragen (wo Radio Gap, das
Magazin Carta und Indymedia unter den Initiativen waren, die unabhängige
Kommunikation herstellen), weil die Demonstranten selbst jenen Ort als
offenen Raum identifiziert hatten, in dem die eigene Erfahrung erzählt und
die Materialien hinterlegt werden konnten.
Das gesammelte
Material wurde sofort für die Herstellung eines Videos verwendet, mit dem
Titel *aggiornamento 0.1* (update 01, d.Ü.), das in kürzester Zeit mit dem
Ziel produziert wurde, die in jenen Tagen von der Polizei verübten
Gewalttaten zu dokumentieren. In den Monaten darauf wurden über 2500
Exemplare des Videos in ganz Italien verteilt, häufig im Laufe von
öffentlichen Vorführungen, die ein Genua gezeigt haben, dass viele hätten
verstecken wollen.
Um der Notwendigkeit gerecht zu werden, ein
objektives Zeugnis über die Ereignisse von Genua abzulegen, stellte
Indymedia die Bilder des Videos *I diritti negati* (die verweigerten Rechte,
d.Ü.), welche die Gewalttaten und Amtsmissbräuche der Ordnungskräfte zeigen,
der UNO-Kommission für die Menschenrechte und der Rechtshilfegruppe, die zur
Verteidigung der Demonstranten tätig war, zur Verfügung. Die vom Dach der
Pascoli Schule während des Überfalls auf die Diaz-Schule haben es
ermöglicht, die Lügen der jenigen zu entlarven, die dort eine kriminelle und
blutrünstige Aktion durchgeführt hatten.
All das hat nicht
gefallen
Am 20. Februar 2002 werden einige mutmaßliche
Indymedia Büros durchsucht: das soziale Zentrum Gabrio in Turin, das soziale
Zentrum Tpo in Bologna, das besetzte Haus Ceccorivolta in Florenz und das
Büro der Cobas in Taranto.
Unterzeichner der
Durchsuchungsbefehle zum Zweck der Sicherung von Beweismaterial sind die
Staatsanwälte Anna Cánepa und Andrea Canciani, die mit dem Ermittlungsstrang
über die "Verwüstungen und Plünderungen" während des G8 in Genua betraut
waren. Während in Florenz, Turin und Taranto allein Videomaterial
beschlagnahmt wurde, das bereits seit Längerem vertrieben wurde, findet in
Bologna die substanzintensivste Beschlagnahme statt: aus dem Teatro
polivalente occupato (Tpo) wird zusammen mit sämtlichen Rechnern, d.h. nicht
nur mit den Geräten, die der lokalen Gruppe, die sich am Projekt Indymedia
beteiligt gehörten(IMC Italy betreibt neben der Hauptseite und den
Themenarchiven zahlreiche Lokalausgaben, d.Ü.), auch das Videoarchiv von
Indymedia abtransportiert. Jenes Archiv, das normalerweise an einem anderen
Ort geschützt und verwahrt wurde, befand sich in jener Woche temporär im Tpo
von Bologna, um AktivistInnen aus ganz Europa zu erlauben, die Bilder für
ein Video über Genua auszuwählen.
Dieses Material wurde als
Gegenstand einer Beschlagnahme als Beweismittel für die Prozesse in Genua
aufgenommen, zusammen mit Tausenden Stunden aufgezeichneten Materials aus
Überwachungskameras in Banken und Supermärkten und aus Kameras von
TV-Sendern, Polizeien, Carabinieri, Filmamateuren und Privatpersonen.
Erinnerung, Archiv, Schutz des Materials
Die
kollektive Erinnerung ist die essentielle Quelle auf die man zurückgreift,
um die Tragweite von Ereignissen und deren soziale Auswirkungen zu
evaluieren. Das kollektive Muster der Erinnerung ist entscheidend für jede
Lesart der Gegenwart und zur Bestimmung von Zielsetzungen für die Zukunft.
Ohne eine gemeinsam geteilte Erinnerung läge uns nichts anderes vor, als
eine völlig wertlose Aneinanderreihung von Ereignissen und Erlebtem, ohne
Sinn, bar jeder unabhängigen, autonomen und kollektiven Erzählung und einer
kollektiven, unabhängigen und autonomen Sichtweise.
Die
Erinnerung sollte sich nach den Vorstellungen der Zentren der Macht allein
auf Material reduzieren, das tauglich ist, als Schuldnachweis bei der
Feststellung von Straftaten vor Gericht vorgeführt zu werden. Ihrer
Vorstellung nach, sollen Bilder nicht mehr dazu dienen dürfen, auf eine
andere Art und Weise eine andere Erinnerung zu erzählen, zu schildern und
herzustellen: für sie sind die Bilder als Spuren von vermuteten Delikten
gut.
Die unabhängige Information ist immer öfter Zielscheibe der
repressiven Apparate und es genügt nicht mehr, sich allein auf inzwischen
täglich mit Füßen getretene Rechte zu berufen. Die Medien und die neuen
Technologien sind derart entscheidend in der Konsensbildung und in der
kulturellen Kontrolle, dass die Apparate der Regierungen und der Staaten
eingreifen, um Zugänge zum und Inhalte im Netz zu zensieren, um repressiv
gegen die unabhängigen Formen des sozialen und kollektiven Gebrauchs der
neuen Technologien zu wirken.
Indymedia hat nach der Erfahrung mit Genua eine große Menge Material
verwalten müssen (110 Stunden allein im DV-Format), wovon ein Teil während
den Produktionen archiviert und montiert wurde. Das in Bologna
beschlagnahmte Material war teilweise reines Rohmaterial. Ein schwerer
Fehler, der die Notwendigkeit offensichtlich gemacht hat, die Organisation
des Archivs zu revidieren und noch einmal darüber nachzudenken, wie eine
Kamera während Demonstrationen und bei Aktionen gebraucht werden soll. Aus
unserer kollektiven Erfahrung heraus ist das 1x1 des Medienaktivisten
entstanden.
Ein besonders gravierender Fehler ist es gewesen,
das Material von so vielen Aktivisten an einem einzigen lokalisierbaren und
nicht dezentral untergebrachten Archiv zu verwahren. Die Handhabe des
Videoarchivs (wie auch die des Bildarchivs) muss für jeden, der Lust hat,
Information zu machen, einen prioritären Stellenwert haben. Archivieren
bedeutet, Bilder zu katalogisieren, in dem der Zeitcode (Minute und Sekunde,
die zu einer bestimmten Bildsequenz gehören) notiert wird und die Daten in
eine Datenbank eingegeben werden. Aber archivieren bedeutet für einen
Medienaktivisten auch, dass er eine Vorselektion der Aufzeichnungen
vornimmt: aufmerksame Ansicht dessen, was bei einer Demonstration oder
Aktion gefilmt wurde, und Schnitt (also Bearbeitung, Schnitt und Montage)
der Teile, in denen es erkennbare Personen gibt. Vom Original darf keine
Spur zurückbleiben ˆ nur so könnt ihr sicher sein, dass ihr die Menschen,
die ihr ungeachtet von ihrem Willen aufgezeichnet habt wirklich
respektiert.
- Das zukünftige Archiv von Indymedia
Indymedia wird nur noch material archivieren, das "ab origine", also
nur dann zur Verwahrung angenommen wird, wenn es vorab bereits bearbeitet
wurde. Indymedia wird ein dezentralisiertes Archiv benutzen: jede/r
EinzelneR und jede Gruppe, die sich am Projekt beteiligt, ist aufgefordert,
sich um die Organisation, die Aktualisierung und die Sicherheit vom eigenen
Teil des Archivs zu kümmern. Die verschiedenen Archive werden dann über ein landesweites Datenbankensystem indexiert werden können, welches die
Durchführung von spezifischen Suchen gewährleisten wird.
In der Zwischenzeit haben wir beschlossen, Energie in die Arbeiten zu stecken, die nötig sind, um das Genua-G8 Archiv zu systematisieren.
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